Dorothea Wagnerberger

Talk Senses To Me

Multisensorisches Kommunikationsartefakt
für den 2-Personen-Kontakt über Distanz

Masterprojekt  “Changing Rituals” 

mit Sophia Donderer, 

Sommersemester 2022

Ausstellung auf der Werkschau, Magdeburg, 07.2022

 

Wie kann bewusstes Zuhören über Distanz in neuen Räumen gelingen? 
Das Designkonzept schafft mit dem interaktiven Funktionsprototyp ein intimes Kommunikationsszenario zwischen zwei über Distanz getrennten Personen auf.

In der Kommunikation über digitale Kanäle fallen wichtige Elemente der menschlichen Kommunikation weg.
Diese wurden in neue Sinneseindrücke übersetzt, um das Gegenüber neu erfahrbar zu machen. Die Gesprächsbereitschaft wird durch eine zuwendende Bewegung angezeigt. Die Audioverbindung wird durch Berührung hergestellt und durch Wärme und Licht begleitet. Wechselnde Lichtspiele erzeugen eine geteilte Atmosphäre.
Es eröffnet sich ein neuer Raum, der vertrauensvolles Sprechen und Zuhören fördert. Visuelle, kinästhetische, thermische und auditive Feedbacks helfen dabei, Distanz zu überwinden. Der rituelle Ablauf jedes Gesprächs sorgt für ein bewusstes Erleben und eine hohe Verbundenheit.

Konzept

Das entwickelte Artefakt San baut eine Standleitung zu einer Person auf, die verschiedene Kontaktintensitäten erlaubt. Bei der Anwesenheit beider Personen erwacht San zum Leben und wendet sich ihnen zu. Durch Berühren des Fußes sendet man ein schlichtes “Ich bin da”, über ein schwaches Licht und leichter Wärme, gegenseitiges Berühren verstärkt dies. Um ein Gespräch zu beginnen, reiben beide Personen den Fuß, aktivieren die Audioverbindung und schaffen eine bewusste Einstimmung. Licht spielt während des Gesprächs eine zentrale Rolle, es visualisiert u.a. über Schattenmuster Emotionen. 

Die Verbindung wird über Berührung aufrechterhalten. Wird der Fuß lange nicht berührt, lässt das Licht langsam nach, mit der Zeit bricht die Verbindung ab. Dies ist ein Indikator für Unaufmerksamkeit, kann aber auch genutzt werden, um die Verbindung langsam ausklingen zu lassen. Auch ein aktives Beenden ist möglich. 

Hintergrund

Nicht erst seit der Corona-Pandemie führen viele Menschen zwischen 18 und 29 Jahren sogenannte Longdistance Freundschaften. Sie können einen ebenso wichtigen sozialen Support bilden wie Freunde vor Ort, aber nur wenn der Kontakt mit gelungener Kommunikation aufrechterhalten werden kann.
Digitale Kommunikation ist daher längst nicht mehr nur Teil des beruflichen, sondern auch des privaten Alltags. Doch die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation bringen Schwierigkeiten mit: Ständige Erreichbarkeit erzeugt sozialen Druck. Die permanente Reizüberflutung führt dazu, dass aufmerksames Zuhören gerade in der digitalen Welt zur Herausforderung wird, die Aufmerksamkeit sinkt.

In einer Online-Umfrage (n=26) gaben 85% der Befragten an, bei der digitalen Kommunikation etwas zu vermissen, z.B. das Fehlen einer geteilten Umgebung sowie das unangenehme Aushalten von Stille. Auch körperliche Nähe und Mimik sowie fehlender Blickkontakt werden vermisst.

Vorgehen

Das Ziel ist es , trotz räumlicher Distanz einen gemeinsamen, vertrauensvollen Raum außerhalb des Arbeitskontextes zu schaffen, der bewusste Gespräche, aber auch angenehmes Schweigen ermöglicht.

Bedürfnisse und Pain-Points wurden in einer qualitativen Online-Befragung über das Empfinden eines guten Gesprächs und in einer Plakatbefragung mithilfe einer Variante der Mehr-Punkt-Abfrage erhoben.

Die Produktrecherche untersuchte bestehende Konzepte, ihre Interaktionskanäle und Methoden. Über ein Futurewheel wurden die Schwerpunkte des Konzeptes herausgearbeitet, wobei die Schaffung einer starken emotionalen Verbundenheit und langfristig die Reduzierung von Einsamkeit als Kernziel definiert wurden. 

Umsetzung

Ein Funktionsprototyp, bestehend aus zwei Artefakten, wurde entwickelt, wobei Design und technische Umsetzung Hand in Hand gingen.

Das Artefakt soll ein kleines freundliches Gegenüber sein, das sowohl zum Zuhören als auch zum Sprechen einlädt. Dazu erfolgte die Formfindung anhand von Papiermodellen und deren Auswertung. 

Technisch werden beide Artefakte gemeinsam über einen Arduino Uno gesteuert. Die Drehung der oberen Trichter wird durch Ultraschallsensoren ausgelöst und durch einen Servo-Motor ausgeführt. Berührungen werden über am Fuß gestickte leitfähige Fäden und einen kapazitiven Berührungssensor registriert. LED-Streifen und ein eingebautes Heizpad erzeugen Licht und simulieren Körperkontakt durch Wärme.

Ausblickend sollen sich die Muster abhängig von Emotionen verändern. Dazu wurden verschiedene Muster getestet und umgesetzt

Evaluation

Das Konzept wurde in der Evaluation gut angenommen. Das Artefakt wird als freundliche und positive Erweiterung zu herkömmlichen Kommunikationsmitteln gesehen.

Der Prototyp wurde in einer einwöchigen Ausstellung getestet. Hier wurden Nutzer:innen beobachtet und dazu befragt. Besonders häufig wurde ein lebendiger Eindruck durch die Bewegung und das Licht zurückgemeldet, der dazu auffordere, zu kommunizieren. 

In einer Eyetracking-Studie (n=6) wurden Nutzer:innen bei Gesprächen über das Online-Tool Zoom und den Prototyp beobachtet und zu ihrem Erleben im Vergleich befragt. Hier zeigt sich, dass die Nutzer:innen das Konzept positiv annahmen, eine stärkere Verbindung zu ihrem Gegenüber wahrgenommen wurde und sie im Gespräch allgemein entspannter waren, die Atmosphäre wurde positiver bewertet.